Kläranlage - HistorieGeschichte des Abwasserwesens |
... am Beispiel der heutigen Verbandsgemeinde Balingen
Von Abwässern stets schwer belastet, der Balinger Mühlkanal, etwa 1925 Wichtige Voraussetzung für die Entstehung einer Siedlung war die Versorgung von Mensch und Tier mit Wasser. Auch für die Entsorgung des Abwassers wurden immer beizeiten Vorkehrungen getroffen. Die Geschichtsschreibung schenkt diesem Thema relativ wenig Beachtung, was seiner Bedeutung jedoch bei weitem nicht entspricht. Ohne geeignete bauliche Maßnahmen und feste Vorschriften für die Einwohnerschaft drohten die menschlichen Siedlungen bereits in der Antike und im Mittelalter in Gestank und Morast zu versinken. Das Trinkwasser wurde verseucht, Krankheitsepidemien forderten zahlreiche Todesopfer. Wichtigste, von der Obrigkeit streng kontrollierte Grundregel war die, dass Abwässer und Fäkalien mit den Brunnen und deren Leitungen nicht in Berührung kommen durften. Mit Lehm und dicken Holzbohlen ausgekleidete Abortgruben waren im Mittelalter in jeder Stadt selbstverständlich. Von Zeit zu Zeit wurden sie geleert. Was hingegen sonst an Abwasser von den Dächern und aus den Häusern floss, wurde abgeleitet. Auch auf die Sauberkeit der durch die Straßen fließenden Brauchwasserkanäle wurde dabei streng geachtet. Wohl durchdacht hatte man in der heutigen Verbandsgemeinde Balingen einen solchen "Stadtbach" mitten in der Hauptstraße, der heutigen Friedrichstraße, angelegt, die für die Stadt zugleich die Wasserscheide zwischen dem westlich der Stadt verlaufenden Krottengraben (heutige Wilhelmstraße) und der östlich vorbeifließenden Eyach ist. So konnte das Abwasser, durch das Gefälle bedingt, nicht in den "Stadtbach" hineinfließen. Das den Krottengraben langsam hinabfließende Abwasser bedeutete für die Anwohner an heißen Sommertagen jedoch eine enorme Geruchsbelästigung. So beschwerte sich zum Beispiel 1927 ein Anwohner: "Mit Beginn des Sommers und speziell an warmen Tagen steigen aus dem Graben penetrante üble Gerüche auf, die zum Teil auch von Latrine .... herrühren. Zweifellos sind die Dünste gesundheitsschädlich, da in der Nachbarschaft schon Geflügel diesem Zustand zum Opfer fiel." ....
Die reinigende Kraft des fließenden Gewässers
Über die Jahrtausende bewährte Art der Abwasserbeseitigung in Städten und Dörfern war die Einleitung in fließende Gewässer. Durch ein
System von mit Steinplatten abgedeckten "heimlichen Gräben" oder offenen Abwasserrinnen, sogenannten Kandeln,
wurde die schmutzige Fracht zunächst einem größeren Abwassergraben zugeleitet und über diesen dann dem nächsten Bach oder Fluss.
Stockenhausen zum Beispiel benutzte dazu den Schalksbach, Geislingen den Riedbach, Weilstetten den Hühner- und den Lochenbach,
Balingen die Eyach, Stuttgart den Neckar und London die Themse. Das Vertrauen in die reinigende Kraft des fließenden Gewässers war grenzenlos.
Das Wachstum der Bevölkerung und die Zunahme des handwerklichen Gewerbes, wie etwa der Gerber und Färber, ließen die Verschmutzung der
Fließgewässer in den Städten bereits im 18. Jahrhundert, spätestens jedoch im 19. Jahrhundert, ein ökologisch verträgliches Maß weit
überschreiten. Deutliches Indiz für die Sauberkeit des Wassers ist das Vorhandensein von Fischen. So konnte die Stadt Balingen bereits
um 1850 ihre Fischwasser nicht mehr verpachten, da es im Stadtbereich wegen der Gerber- und Färberabwässer fast keine Fische mehr gab.
Das Baden in der Eyach bei Ostdorf, etwa 1940
Durch den rapiden Rückgang des Gerber- und Färberhandwerks gegen Ende des 19. Jahrhunderts, ließ die Verschmutzung der Eyach jedoch
deutlich nach. So war der Fluss bis etwa 1920 wieder ein ertragreiches Forellengewässer. Doch in den Folgejahren nahm die
Gewässerverschmutzung wieder zu. Verursacher waren nun vor allem die Industriebetriebe. Weitgehend ohne Entschlammung, Entgiftung,
Entkeimung und Entfärbung ließen die Fabriken ihre Abwässer in die Eyach fließen. Mit einer braun-schwarzen Faulschlammschicht
überzogene Steine im Flussbett gehörten nun mehrere Jahrzehnte lang zum gewohnten Bild.
Kanalisierung
Offene Abwassergräben bestimmten im 19. Jahrhundert noch das Straßenbild. Blick in die Balinger Froschstraße, etwa 1865
Mit dem Ausbau eines Kanalnetzes, der sogenannten Kanalisierung, wurde in Balingen bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
begonnen. Vor dem Bau der Wasserleitung (1894/95) war der Abwasseranfall noch relativ gering. In ihren zahlreichen Innenhöfen hatte die
Stadt dennoch ein permanentes Problem: dort sammelte sich das Abwasser der umliegenden Dächer, Küchen, Misten und teilweise auch der nicht
in Ordnung gehaltenen Aborte und floss nur ungenügend ab. Dadurch herrschten in der Stadt teilweise katastrophale hygienische Verhältnisse,
von der Medizinalpolizei immer wieder beanstandet, aber nicht so leicht zu ändern.
Den planmäßigen Ausbau eines Kanalnetzes nahm Balingen erst ab etwa 1900 in Angriff. Einen ersten umfassenden Kanalisationsplan hatte die
Stadt erstmals 1913. Bereits in den 1930er Jahren war das städtische Kanalnetz vollständig ausgebaut. Durch die stark angewachsene
Industrie und die bereits vorhandenen zahlreichen Spülaborte war dieses inzwischen auch dringend notwendig geworden.
Die Gemeinden der Umgebung hingegen hatten weit weniger Handlungsbedarf. Erste Kanalstränge wurden hier, besonders in Neubaugebieten,
frühestens in den 1930er Jahren eingelegt. Die Kanalisation der alten Ortskerne erfolgte jedoch überall erst in den 1950er Jahren.
Doch auch mit Kanalisation wurden die Abwässer weiterhin ungeklärt in die Eyach bzw. ihre Nebenzuflüsse eingeleitet. Während in den
umliegenden Orten erst kanalisiert wurde, war man in der Kreisstadt Balingen indessen schon einen Schritt weiter.
Kläranlagen
Bereits 1927 befasste sich der Gemeinderat erstmals mit dem Bau einer städtischen Sammelkläranlage im Bereich der Stadtmühle.
Die ganzen 1930er Jahre und auch noch während des Zweiten Weltkrieges ließ man das Projekt nicht aus den Augen. Letzten Anstoß zur
Verwirklichung gab dann schließlich der Neubau des Kreiskrankenhauses, das eine Kläranlage dringend benötigte. Im August 1952 wurde
mit dem Bau einer städtischen Sammelkläranlage unterhalb der Stadtmühle begonnen. 1954 war sie fertiggestellt. 1960 waren jedoch immer
noch nicht alle Teile des Stadtgebiets angeschlossen.
In den übrigen Gemeinden des Landkreises behalf man sich zunächst weiterhin mit mechanischen Hauskläranlagen (2-3 Kammern).
In Neubaugebieten entstanden vereinzelt auch einfache sogenannte Kleingruppen-Klärwerke. 1960 gab es im Landkreis insgesamt erst 150
Einzelkläranlagen. Waren die Kammern einer solchen Anlage mit Klärschlamm gefüllt, so wurden sie vom "Latrine-LKW"
leergepumpt. In den 1950er und 60er Jahren gehörte dieser zum gewohnten Straßenbild. Das Abwasser der Einzelkläranlagen floss freilich auch
weiterhin in die Eyach bzw. ihre Zuflüsse.
Zweckverband Abwasserreinigung Balingen
Einweihung der Kläranlage im Mai 1977. Durch Hochdrehen des Schiebers wurde das 40-Millionen-Projekt symbolisch
in Gang gesetzt.
Mit der rapiden Bevölkerungszunahme, dem Bauboom und dem Wachstum der Industrie zeichnete sich in den 1950er und 60er Jahren immer
stärker die Notwendigkeit der Schaffung einer soliden Lösung des Abwasserproblems ab. Der Verschmutzungsgrad der Eyach war unerträglich
geworden.
1963 entstand die Idee zum gemeinsamen Bau einer Großkläranlage für die Stadt Balingen und die umliegenden Gemeinden.
Der Zweckverband Abwasserreinigung Balingen mit Sitz in Balingen wurde am 15. Februar 1971
gegründet. Die Gemeinden Balingen, Geislingen,Dotternhausen, Dormettingen und Albstadt-Laufen schlossen sich zusammen.
Erklärte Zielsetzung des Verbandes war die Reinhaltung der Eyach und ihrer Nebenflüsse durch den Bau einer zentralen großen Kläranlage, die sämtliche anfallenden Abwässer
aufnehmen sollte. Die Inbetriebnahme der Kläranlage und ihres rund 50 km langen Sammlernetzes erfolgte am 13. Mai 1977. Mit einem Kostenaufwand von
rund 40 Mio. DM war dies zur damaligen Zeit eines der größten kommunalen Projekte der Region Zollernalb.